10.11.22
Demenz beim Hund
Ihre Schnauzen werden langsam grau, die Augen etwas trüber und die Ohren hören noch das Öffnen des Kühlschranks, aber nicht das «Stopp» auf der Mäusejagd. Unsere Vierbeiner werden, genau wie wir, einfach älter und gewisse Marotten schleichen sich ein und ihr Körper wird fragiler. Kleine Wehwehchen treten auf, das Schlafbedürfnis nimmt zu, die Agilität ab. Dass der Hund sich im Alter verändert, ist von Natur aus gegeben. Was ist aber, wenn er sich krankhaft verändert? Demenz ist eine weit verbreitete Krankheit. Denn zwischen 30% – 60% der Hunde über 7 Jahre zeigen Anzeichen von Demenz.
Was ist Demenz?
Demenz ist den meisten Menschen ein Begriff. Kein Wunder, denn die Krankheit bringen wir eher mit Zwei- anstatt mit Vierbeinern in Verbindung. Die meisten kennen jemanden, der bereits an Demenz erkrankt ist. Bei Hunden nennt man es Kognitives Dysfunktionssyndrom, kurz CDS, oder Hunde-Alzheimer. Wie der erste Begriff verrät, handelt es sich dabei um eine Dysfunktion, also eine Funktionsstörung, der Kognition. Das heisst, kognitive Fähigkeiten bauen ab oder gehen gänzlich verloren. Hier eine Auflistung der möglichen Funktionen:
· Wahrnehmung
· Orientierung
· Gedächtnis / Erinnerungsvermögen
· Aufmerksamkeit
· Lernfähigkeit
· Bewusstsein
Demenz kann durch verschiedene Umstände ausgelöst werden. Eiweissablagerungen sind die häufigste Ursache. Das Eiweiss lagert sich in den Nervenzellen ab, was deren Funktion beeinträchtigt. Dadurch können Reize nicht mehr richtig weitergeleitet werden und Nervenzellen können absterben. Des Weiteren können vaskuläre Probleme die Ursache für eine Blut- und dadurch Sauerstoff-Unterversorgung im Gehirn sein. Diese Durchblutungsstörungen wirken sich wiederum negativ auf die Nervenverbindungen aus. Eiweissablagerungen führen zur wohl verbreitetsten Demenz-Krankheit – dem Alzheimer.
Symptome und Abgrenzung
Eine gewisse degenerative Entwicklung des Hundekörpers ist normal. Die Altersschwäche kommt schleichend. Sofern es sich nicht um eine vaskuläre Demenz handelt, ist der Prozess auch schleichend. Daher muss man sorgfältig abwägen, ob es sich um den normalen Alterungsprozess oder etwa um dementielle Veränderungen handelt. Folgende Symptome, besonders in Kombination, können Hinweise auf eine Demenz sein.
Schlafrhythmus ändert sich: Alte Hunde brauchen mehr Schlaf. Verändert sich aber der Tag-Nacht-Rhythmus, kann das von einer Demenz ausgelöst werden. Die Hunde haben zum Beispiel vermehrt Wachphasen in der Nacht bis hin zur Insomnie (langfristige Schlaflosigkeit in der Nacht).
Starke Unruhe: Der Hund wandert oft umher, findet keine Ruhe oder schreckt, wirkt gestresst und plötzlich aus dem Schlaf hoch.
Desorientiertheit: Der Hund wandert ziellos umher, findet bekannte Plätze nicht (z.B. Futternapf, Türe nach draussen, Schlafplatz…) und erkennt bekannte Personen nicht mehr. Viele Hunde starren oft scheinbar ins Leere und finden sich im Alltag nicht mehr zurecht.
Vergesslichkeit: Gefestigte und anspruchslose Kommandos werden immer häufiger nicht ausgeführt, ohne dass der Hund an Hörverlust leidet.
Verlust der Stubenreinheit: Stubenreinheit ist ein erlerntes Verhalten, das vergessen wird. Oftmals werden keine Anzeichen mehr gemacht, wenn der Hund koten oder urinieren muss.
Futterverweigerung: Hunde mit Demenz leiden oft an Appetitlosigkeit und wissen nicht mehr, ob sie schon gefressen haben oder nicht. Der Verlust von basalen Bedürfnissen wie Nahrungszufuhr ist typisch für Demenz.
Reizbarkeit: Die Hunde sind leicht reizbar. Sie können aggressives Verhalten zum Teil aus dem Nichts zeigen.
Rückzug von sozialen Interaktionen: Das Nähebedürfnis des Hundes ändert sich stark und er zieht sich immer mehr zurück.
Hat man den Verdacht, dass der eigene Hund unter Demenz leiden könnte, sollte man immer einen Tierarzt aufsuchen, damit dieser differenzialdiagnostisch vorgehen und andere Krankheiten ausschliessen kann. Mit ihm kann auch das weitere Vorgehen besprochen werden.
Therapie
Je früher Demenz diagnostiziert wird, desto eher kann man etwas dagegen tun. Demenz ist nicht heilbar und weil man bis heute nicht genau weiss, wieso es zu den Eiweissablagerungen kommt, kann man das nicht unbedingt verhindern. In Verdacht steht auch, dass dementielle Erkrankungen durch die Genetik begünstigt werden könnten. Was man aber weiss ist, dass man den Verlauf der Krankheit unter Umständen verlangsamen kann. Diese drei Punkte können je nach Ursache und Verlauf helfen, den Prozess hinauszuzögern.
· Nahrungsumstellung: z.B. Antioxidantien
· Mentale Stimulation: Wird das Hirn beschäftigt, wird es auch besser durchblutet und neue Nervenverknüpfungen entstehen. Deswegen sollte man auch alte Hunde immer vor neue Aufgaben stellen, um sie geistig fit zu halten. (knifflige Aufgaben, Tricks, Kommandos…)
· Medikamente: Tabletten mit Selegilin und Propentofyllin können helfen, letztere fördern beispielsweise die Durchblutung.
Was tun bei einem dementen Hund?
Die Sicherheit geht vor. Da der Hund langsam die Orientierung und sein Erinnerungsvermögen verliert, sollte man ihn draussen sichern. Denn es kann leicht passieren, dass er davonläuft und sich verirrt. Hunden, die verwirrt sind, muss man viel Sicherheit geben. Die geistige Förderung von älteren Hunden wurde oben bereits angesprochen. Regelmässige Bewegung kann helfen, den Hund fit zu halten und den Tages-Nachtrhythmus zu fördern. Zuhause müssen Gefahrenquellen beseitigt werden und man sollte auf Umstellungen verzichten, damit der Hund sich besser zurechtfinden kann. Routinen helfen dem Hund, sich im Alltag zurechtzufinden und geben ihm Sicherheit. Durch regelmässige Kontrollen beim Tierarzt können Veränderungen schneller erkannt und zusätzliche Massnahmen frühzeitig ergriffen werden. Die Situation ist für den Hund sowieso herausfordernd. Deswegen muss man ihn unbedingt vor einer Überreizung schützen, ihm aber dennoch neue Reize bieten – ein Balanceakt.
Was jeder alte Hund brauch, egal ob dement oder nicht, ist viel Zuneigung, Fürsorge und Verständnis, wenn etwas nicht mehr so funktioniert wie vorher. Denn eigentlich haben wir sie ja an unserer Seite, nicht weil sie perfekt sein müssen, sondern um sie liebzuhaben.