20.5.21
Hund alleine zu Hause
Ein häufig unterschätztes Thema in der Hundeerziehung ist das Alleinebleiben von Hunden. Leider verlangen Besitzer oft das Unmögliche von ihren Vierbeinern. Und so können gravierende Problem entstehen. Wie man diese vorbeugt und erkennt, erfahrt ihr in diesem Blog.
Hunde sind Rudeltiere. Das bedeutet, sie brauchen den Sozialkontakt zu ihrer «Familie», um sich sicher zu fühlen. Längeres Alleinesein ist gegen ihre Natur. Sie haben Angst, alleine zurückgelassen zu werden. Damit diese Angst nicht aufsteigt, erfordert es ein kleinschrittiges und konsequentes Training von Beginn an. Gerade jetzt während Corona sind viele Hundebesitzer viel öfter zu Hause und die Hunde kaum alleine. Sie verlernen schnell, alleine zu bleiben oder lernen es gar nicht erst.
Sandras Buchtipp: «Allein sein üben; Trennungsangst vorbeugen; Ratgeber für Hundehalter; Training während und nach der Corona-Pandemie» von Celina del Amo
Ursachen für Probleme
Es gibt zwei verschiedene Ursachen, wenn es Probleme beim Alleinesein gibt:
Trennungsangst: Wie bereits oben erwähnt, trennen sich Hunde nicht gerne von ihren Sozialpartnern. Denn alleine sind sie wehrloser und auf sich gestellt. Besonders Hunde, die schlechte Erfahrungen mit Trennungen von ihrem Clan gemacht haben, zum Beispiel solche, die ausgesetzt oder abgegeben wurden, leiden sehr oft intensiv unter der Angst, erneut einfach zurück gelassen zu werden.
Kontrollverlust: Ein etwas weniger bekannter Grund ist die Angst, die Kontrolle über die Situation und über den Menschen zu verlieren. Es gibt Hunde, die stalken ihre Besitzer regelrecht und denken, dass der Mensch nicht ohne sie klarkommt. Im Alltag wird das von den Besitzern oft nicht erkannt. Der Hund kann aber die Situation nicht entsprechend kontrollieren und flippt förmlich aus, wenn der Mensch sich «ohne zu fragen» entfernt.
Inkonsequentem Training können beide Ursachen bedingen. Es kann auch vorkommen, dass man einfach zu lange weg war und es dem Hund zu viel wurde. Oft wird in diesem Zusammenhang darüber diskutiert, dass Hunde ja gar kein Zeitgefühl besitzen, sie also gar nicht wissen, wie lange sie schon alleine sind. Das ist jedoch nicht ganz richtig. Hunde können mit unserem Zeitbegriff an sich nichts anfangen. Ihnen sagen Minuten und Stunden nichts. Sie können aber sehr wohl abschätzen, ob sie 2 Minuten oder bereits eine längere Zeit ohne ihr Rudel sind. Hunde, wie fast alle Tiere, orientieren sich unter anderem an den Lichtverhältnissen. So können sie auch gewisse Abläufe einordnen. Studien belegen zudem, dass Hunde sich auch mit ihrem Geruchsinn zeitlich orientieren. Sie riechen anhand der verlorenen Hautschuppen, wie «lange» der Mensch schon weg ist.
Bei beiden Ursachen wird der Hund Stress ausgesetzt, welcher stetig zunimmt. Dabei werden Stresshormone ausgeschüttet. Dies wird regelrecht konditioniert. Der Stress beginnt immer früher für den Hund. Oft bereits bevor die Besitzer überhaupt das Haus verlassen haben.
Anzeichen
Bereits wenn noch alle zu Hause sind, werden oft die ersten Anzeichen für ein Trennungsproblem deutlich. Wenn der Hund an einem zugewiesenen Platz nicht entspannt liegen bleiben kann, sobald der Mensch sich bewegt und den Raum verlässt, ist das der erste Hinweis auf ein Problem. Noch deutlicher werden die Zeichen, wenn der Hund alleine ist oder wenn man wieder nach Hause kommt. Hier findet ihr eine Auflistung der wichtigsten Warnhinweise, dass euer Hund Stress beim Alleinebleiben hat.
!ACHTUNG!
- Zerstörungswut
- Bellen/Heulen/Jaulen/Fiepen/Winseln
- Hecheln
- Sabbern
- Selbstzerstörung (z.B. wund lecken)
- Legt sich nicht entspannt hin (ständig alarmiert)
- Verfolgt Herrchen/Frauchen, wenn sie nach Hause kommen
- Schlafen erschöpft ein, wenn der Mensch wieder da ist
All diese Anzeichen zeigen, dass der Hund einem Leidensdruck ausgesetzt ist. Sie wählen verschiedene Strategien, um den Stress oder den Frust abzubauen. Zum Teil sind die Zeichen sehr deutlich (z.B. Zerstörungswut, Bellen). Es gibt aber auch viele Hunde, die «still» vor sich her leiden!
Mit den lautlichen Äusserungen zeigen sie ihre Empörung, ihre Angst oder versuchen das Rudel zurückzurufen.
Stress führt über kurz oder lang zu gesundheitlichen Problemen bis hin zu regelrechten Verhaltensstörungen. Deswegen sollte man seinen Hund immer gut beobachten, damit man frühgenug eingreifen kann.
Ein Hund der gut alleine bleiben kann, ist entspannt oder sogar verschlafen, wenn man nach Hause kommt. Freude, dass der Mensch da ist, ist natürlich erlaubt, solange er nicht zu sehr hochpusht.
Bei Hunden, die nicht alleine bleiben können, sollte vor dem Training immer den genauen Grund eruiert werden, weshalb das Problem besteht und entsprechend einen Trainingsansatz gewählt werden.
Aufbautraining
Das Training zum Alleinebleiben steht ganz im Motto von «früh übt sich». Das Training sollte bereits in den ersten Tagen nach dem Einzug des Hundes begonnen werden. Dabei wird habituiert, dass es nichts Aussergewöhnliches ist, wenn der Mensch sich in der Wohnung bewegt, dass er aus dem Raum geht und dass das den Hund gar nicht kümmern muss. Es soll normal werden. Die Zeitabstände sind immer sehr kurz zu halten. Am Anfang spricht man hier von Sekunden, später von Minuten. Schritt für Schritt kann man das Training ausbauen, immer unter der Voraussetzung, dass der Hund entspannt bleibt. Wird er nervös, wollte man zu schnell zu viel. Eine saubere Basis ist das A und O beim Alleinbleib-Training. Man sollte den Hund nicht länger alleine lassen, als er es aushält, sonst macht man das ganze Training zunichte und man fängt wieder von vorne an.
Am einfachsten übt es sich, wenn der Hund bereits müde und ausgepowert ist. Trainiert man, wenn der Hund sowieso aufgedreht ist, lernt der Hund nicht, sich zu entspannen.
Beim Gehen ist es wichtig, dass man das nicht weiter kommentiert. Es ist ja normal und der Hund soll die Erfahrung sammeln, dass die Leute wieder kommen und dies auch keine aufregende Aktion ist.
Oft gewöhnen Hunde sich an gewisse Schlüsselreize wie Schuhe anziehen oder den Schlüsselbund in die Hand nehmen. Diese triggern den Hund bereits, bevor man das Haus verlässt. Aus diesem Grund sollten solche Trigger immer mal wieder in den Alltag eingebaut werden, damit sie normal werden und die Bedeutung für den Hund verlieren. Oft baut das Verlassen des Zuhauses zusätzlich eine gewisse Erwartungshaltung beim Hund auf. Er erwartet, dass man mit ihm raus geht und ein spannender Ausflug auf ihn wartet. Wenn man die Erwartungshaltung nicht aufkommen lässt, indem nicht immer etwas grosses passiert, wenn man geht, hilft das dem Hund. Hier hilft es auch beim Spazierengehen den Hund nicht künstlich hochzudrehen, sondern immer in Ruhe mit dem Hund rauszugehen.
Wurden die Bedürfnisse des Hundes gestillt (Auslauf, er konnte sich erleichtern), bevor man ihn alleine lässt, fällt es ihm einfacher, die Zeit auszuhalten.
Bei einer Mehrhundehaltung ist es wichtig, dass die Hunde lernen, ganz alleine zu bleiben. Es kann immer mal vorkommen, dass sie nicht nur ohne Menschen, sondern auch ohne Hunde alleine zu Hause bleiben müssen. Zum Beispiel wenn einer der Hunde zum Tierarzt muss.
Zieht man in eine neue Wohnung, muss das Alleinebleiben oft noch einmal aufgebaut werden, damit der Hund sich auch am neuen Ort sicher fühlt. Normalerweise dauert das aber nicht so lange, denn man fängt nicht bei null an. Erwachsene Hunde brauchen meistens länger und noch kleinere Schritte im Training, um das Alleinbleiben zu üben. Bei Mila dauerte es fast ein Jahr, da sie sehr unter Trennungsangst litt. Jeder Hund braucht individuell viel Zeit. Bestehen bereits Probleme, lohnt es sich fachmännischen Rat zu suchen.
Hilfestellungen
Gewisse Hilfestellungen vereinfachen es dem Hund alleine zu bleiben. Hier gilt es herauszufinden, was eurem Hund guttut. Konditionierte Entspannung trainieren ist nicht nur für das Alleinebleib-Training nützlich, sondern auch für andere Alltagssituationen. Hier können Musik, Duftnoten wie Lavendel und ein Ruheplatz eingesetzt werden. Zudem hilft es, wie oben beschrieben, die Schlüsselreize (Trigger) zu desensibilisieren. Zum Teil hilft es Hunden, wenn sie räumlich begrenz werden (z.B. mit einem Absperrgitter) oder wenn man etwas dunkel macht. Hunde darf man aber nicht einfach in Boxen wegsperren, dies ist gegen das Tierschutzgesetz! Wenn Hunde eine Belohnung und Beschäftigung bekommen, hilft es ihnen die Zeit zu vertreiben. Handelt es sich hierbei um Futter (Kauknochen, gefüllter Kong etc.) trägt das Lecken und Kauen zusätzlich zur Entspannung bei und macht sie müde. Der Hund sollte sich aber nicht verletzen können dabei. Generell gilt, dass ein ausgelasteter Hund besser alleine bleibt. Homöopathische Mittel oder Pheromone wie Adaptil können zudem helfen, gestresste Hunde zu beruhigen. Den Einsatz und die Dosierung solcher Hilfsmittel sollte immer durch eine erfahrene Fachperson begleitet und überwacht werden. Bei ganz schweren Fällen kann auch eine vorübergehende Medikation hilfreich sein. Auch das jedoch sollte immer unter fachmännischer Anleitung passieren.
- Konditionierte Entspannung
- Desensibilisierung der Schlüsselreize
- Räumliche Begrenzung
- Lichtverhältnisse
- Beschäftigung
- Auslastung vor dem Alleinebleiben
- Homöopathische Mittel/ Pheromone
- Medikation (nur Ausnahmefälle!)
Ja, das Training ist langwierig und anstrengend! Dafür kann man später entspannt das Haus verlassen und den Hund guten Gewissens für eine bestimmte Zeit alleine lassen.
Habt ihr weitere Tipps? Teilt euer Wissen in den Kommentaren.