Secondhand-Hunde

Secondhand-Hunde

2.1.23

Slogans wie «Adopt, don’t shop!», zu Deutsch «Adoptiere, kaufe nicht!» regen uns zum Nachdenken an. Gerade die letzten Jahre, wo Hunde noch unüberlegter angeschafft wurden als sonst, haben viele Vierbeiner zu Opfern unserer Wegwerfgesellschaft gemacht. Tierheime kommen an ihre Grenzen, nicht nur im Ausland. Ihre Kapazitäten sind ausgeschöpft. Da ist der Gedanke, ob es denn immer ein «neuer» Hund sein muss, durchaus berechtigt. Ich habe selbst ein Hund aus (mindestens) zweiter Hand und kenne die Vor- und Nachteile einer solchen Adoption.

Die Adoption von sogenannten «Secondhand-Hunden» ist leider von vielen Vorurteilen geprägt. Man hat sofort grosse Problemfälle im Kopf, die mehr Ärger als Freude mit sich bringen. Dass das aber immer im Auge des Betrachters liegt, vergisst man dabei leicht. Wir alle bringen unterschiedliche Möglichkeiten und Erfahrungen mit. Wir alle haben unterschiedliche Anforderungen an einen Hund. Daraus resultiert, dass wir alle ein unterschiedliches Zuhause dem Hund bieten können. Das heisst aber auch, dass eben nicht jeder Hund zu uns passt. Egal ob Hund aus erster Hand oder ein Hund, der bereits einmal ein Heim hatte, sie können passen, müssen aber nicht. Nicht alle Hunde, die zur Adoption stehen, haben vorgängig schlechte Erfahrungen gemacht, die ihr Verhalten negativ beeinflussen. Es gibt viele Gründe, wieso ein Hund ein neues Zuhause sucht. Der Besitzer kann verstorben sein, oder er ist durch einen Umzug ins Altersheim, ins Ausland, durch Krankheit, Allergie oder eine veränderte Lebenslage nicht länger in der Lage, den Hund gut versorgen zu können. Die meisten Menschen planen, den Hund für immer zu behalten. Aber es gibt eben auch Umstände, die dies verhindern. Manchmal ist es dann dem Hund gegenüber fairer, ihm ein neues Zuhause zu suchen. Viele dieser Hunde wurden sehr geliebt und auch gut umsorgt. Und auch Hunde, die bisher kein gutes Leben hatten, müssen nicht immer traumatisiert sein. Viele blühen in einem guten Zuhause regelrecht auf.

Aber ja, es gibt auch Fälle, die eine erfahrene Hand brauchen, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Dass dem nicht jeder gewachsen ist, ist in Ordnung. Und da sollte man sich selbst, aber auch dem Hund zuliebe, sehr ehrlich sein.

Adoptions-Möglichkeiten

Es gibt verschiedene Wege, wie man einen Hund aus zweiter Hand bekommen kann.

Tierheim: Die offensichtlichste Variante ist wohl das Tierheim. Es gibt verschiedene Institutionen, in der ganzen Schweiz, wo Hunde vermittelt werden. Das schöne an Schweizer Tierheimen ist, dass man den Hund vorgängig besuchen kann, oftmals darf man auch Spaziergänge unternehmen und unter Umständen sogar ein Probewohnen. So kann man sich ein ausführliches Bild von dem Hund machen.

Pflegestellen: Hunde, die ein neues Zuhause suchen, werden ab und zu auch auf Pflegestellen untergebracht. Das sind Personen, die den Hund bei sich aufnehmen, bis er ein Zuhause gefunden hat. Der Hund lebt dabei normal integriert in der Familie. Auch dort kann er besucht und begutachtet werden.

Notfall-Plattformen: Es gibt diverse Plattformen, besonders für Rassehunde, wo nach neuen Besitzern gesucht wird. Diese Hunde warten oft auf Pflegestellen. Dort gilt es sich zu informieren, dass es sich um eine seriöse Organisation handelt.

Verwandten-/Bekanntenkreis: Es kann auch vorkommen, dass im näheren Umfeld ein Hund vermittelt werden muss. Oft wird im Vorfeld schon besprochen, wer im Falle eines Notfalls oder unvorhergesehenen Ereignisses den Hund übernimmt. Jedoch wird nicht immer schon eine Lösung gesucht.

Ausland: Hunde aus dem Ausland zu importieren ist sehr umstritten. Einerseits, weil man nie genau sagen kann, was für ein Hund einen wirklich erwartet. Andererseits auch, weil es leider mittlerweile zu einem regelrechten Geschäft für viele «Vereine» geworden ist, solche Hunde zu vermitteln. Es gibt durchaus Organisationen, die auch vor Ort am eigentlichen Problem arbeiten (Kastrationsprogramme, Aufklärung der Bevölkerung…), denn nur massenweise Hunde zu exportieren, wird die Problematik nie beheben. Bei Hunden, die aus dem Ausland kommen, kennt man meist noch viel weniger über die Vorgeschichte als bei Hunden aus der Schweiz. Oft werden die Charakterbeschreibungen auch geschönt dargestellt. Und auch auf die Rassebeschreibung ist nicht immer Verlass. Oft sieht man sogenannte «Labrador-Mischlinge», die niemals einen Anteil dieser Rasse enthalten. Sollte der zukünftige Hund also aus dem Ausland kommen, muss man einiges beachten und genau recherchieren. Zu beachten ist auch, dass es Hunde gibt, denen nicht gedient ist, wenn sie in unsere «Welt» kommen, weil sie sich nie zurecht finden würden und einfach nicht unsere gesellschaftlichen Anforderungen erfüllen können.

Ein Hundekauf ist immer gut zu überdenken. Dabei ist es immer eine Überlegung wert, ob es auch ein Hund aus zweiter Hand sein könnte. Denn Hunde, die so vermittelt werden, gibt es auch in allen Farben, Formen und Altersklassen. Man findet sowohl reinrassige als auch Mischlingshunde, Welpen aber auch Senioren, Hunde aus guter Haltung oder solche, die schon einen grossen Rucksack zu tragen haben. Sicher ist, dass sie alle ein liebvolles Zuhause verdient haben. Man sollte sich einfach bewusst sein, was man selbst leisten kann. Wahrscheinlich ist ein Angsthund für einen Hundehalter-Anfänger nicht die richtige Entscheidung. Da darf man sich auch nicht hinreissen lassen von süssen oder mitleidserregenden Fotos. Mitleid und falschverstandene Tierliebe sind falsche Ratgeber.

Hunde aus zweiter Hand haben manchmal noch grossen Aufholbedarf was Erziehung und Sozialisation anbelangt. Auch gesundheitlich können sie bereits Altlasten mitbringen. Und der Anspruch an den Hund, dass er einfach nur dankbar sein soll, dass er jemanden gefunden hat, ist eine absolute Vermenschlichung. Deswegen muss man sich bewusst sein, dass auch ein «Secondhand-Hund» viel Arbeit bedeuten kann. Oftmals sind es Überraschungspakete, da oft die Haltung im Tierheim eine Extremsituation darstellt. Viele Hunde zeigen in solchen Situationen nicht ihren ganzen Charakter oder eine abgeschwächte oder extremere Form. Daher kann es gut sein, dass der ruhige, zurückhaltende Hund nach einigen Monaten Eingewöhnung im neuen Zuhause noch andere Seiten von sich zeigt. Daher ist es wichtig, von Anfang an mit der Erziehung zu starten. Am besten bespricht man das Vorgehen bereits im Vorfeld mit einem erfahrenen Hundetrainer. Man braucht viel Zeit und Geduld, damit sich der Hund gut einleben kann und nicht gleich überfordert wird. Regeln gelten trotzdem ab Tag eins.

Secondhand-Hunde sind genau so liebenswert, wie alle anderen auch und brauchen ein tolles Zuhause. Daher lohnt sich immer ein Blick in die Tierheime. Vielleicht findet man dort ja auch den passenden Hund. Ich habe es nie bereut, einen bereits erwachsenen Hund adoptiert zu haben. Sie ist nicht perfekt, bringt einen grossen Rucksack mit sich und wir beide mussten viel lernen. Aber Hunde aus zweiter Hand können auch toller Begleiter werden. Sie brauchen Eingewöhnungszeit, Erziehung und Pflege, wie alle anderen Hunde auch. Aber das von Menschen gemachte Problem der zu vielen Hunde, kann nur auch durch Menschen gelöst werden.